Armin Mueller-Stahl: Kunst-Ausstellung in Rostock

2022-07-01 17:35:14 By : Mr. Jacky LIU

Nach einer längeren Pause meldet sich der mittlerweile 91-jährige Ausnahmekünstler zurück – mit einem Kunstband und einer großen Ausstellung. SuperIllu sprach mit ihm über Krieg, Krankheit und die Kraft des Zufalls.

Er wurde als Schauspieler populär, brillierte als Musiker und ist heute ein gefeierter Künstler. Armin Mueller-Stahl, ein begnadetes Universalgenie, der es gar nicht so gern hört, wenn man ihn so betitelt. Zu seinem 90. Geburtstag, vor etwa anderthalb Jahren, führte SuperIllu das letzte längere Gespräch mit ihm. Kurz darauf erkrankte er schwer. Seinen runden Geburtstag verbrachte er im Krankenhaus. Lag dort mehrere Monate.

Doch nun meldet sich der 91-Jährige fulminant zurück. Mit „Jüdische Freunde“ erschien kürzlich im Verlag Hatje Cantz ein komplexer neuer Bildband von ihm. Und in Rostock eröffnete in der Kunsthalle eine große Armin-Mueller-Stahl-Schau, die er persönlich eröffnete. Grund genug, mal wieder mit diesem sympathischen und grundbescheidenen Menschen zu telefonieren…

Danke, mir geht es gut. Zumindest so gut, wie es einem über 90-Jährigen eben gehen kann.

Dieser Krieg… Mit dem geht es mir schlecht. Ich bin ein Kind des Krieges, bin damit groß geworden. Und nun erlebe ich ein zweites Mal die gleiche Zerstörungswut, das gleiche Flucht- Szenario. Krieg ist das Widerlichste, was Menschen einander antun können! Ich denke dabei auch an die Zukunft meines Kindes, meiner Enkel… Wieder ist ein Machthaber umringt von Hofschranzen. Leute, die nur Ja zu allem sagen, Speichellecker sind. Hitler hatte sie, Stalin auch und Trump war auch dabei, sie um sich zu scharen…

Nein, meine Augen sind fürs Schreiben zu schlecht geworden. Aber Malen kann ich noch. Und da ist dieses Thema durchaus präsent. Und so manchen Gedanken schreibe ich dann auch groß auf meine Bilder.

Er ist ein gefeierter Weltstar, künstlerisches Multitalent und ein kluger Kopf. Exklusiv mit SUPERillu sprach Armin Mueller-Stahl über Corona, die US-Wahl, sein Leben als Schauspieler und Maler – und über den anstehenden runden Geburtstag

Nichts würde ich ihm sagen. Es wäre sinnlos. Die Gespräche mit Scholz und Macron haben es gezeigt. Aber die schnellen Seitenwechsler bei uns, die Tolstoi und Puschkin in den Mülleimer werfen wollen und die Tschaikowsky und Schostakowitsch nicht aufführen wollen, die finde ich nur erbärmlich. Das haben wir doch alles schon mal erlebt.

Wenn ich auf mein langes Leben zurückblicke, stelle ich immer wieder fest, dass es vermehrt Juden waren, die meine Lebensweichen gestellt haben. Fritz Wisten hat mich zum Theater gebracht. Paul Kohner hat mich nach Hollywood geholt. Zwischendurch waren es Begegnungen mit Billy Wilder, Peter Ustinov, Yehudi Menuhin oder Barry Levinson…

Das war eine große Auszeichnung für mich. Dabei war es für Barry Levinson nicht leicht, mich, den Deutschen, als jüdisches Familienoberhaupt zu besetzen und den großen Hollywood-Namen vor die Nase zu setzen. Aber letztlich wurde der Film ein großer Erfolg… Ich glaube auch, ich bin der einzige Deutsche in Amerika, der nicht nur auf Nazi-Rollen festgelegt war. Die habe ich auch gespielt – aber viel häufiger habe ich den Juden verkörpert.

Nein, aber viele meiner Freunde und Wegbegleiter sind es. Vor allem durch sie wurde ich, wer ich heute bin. Und dadurch ist mir auch das Judentum nahegekommen. Daher bin ich auch nach Jerusalem gereist.

Ja, das bekümmert mich tatsächlich sehr. Weil es eine Wiederkehr von schon Bekanntem ist. Sehen sie, ich habe so viele Systeme miterlebt: die Nazi-Diktatur, das DDR-Regime - und die heutige Demokratie. Sicherlich ist Letztere nicht perfekt, aber von allen Systemen ist es noch das angenehmste. Und wenn ich sehe, dass der Antisemitismus, genau wie damals, immer mehr in unserem System Fuß fasst, dann ängstigt mich das…

Ich erinnere mich noch, wie ich meinen Schuldirektor, der auch mein Lateinlehrer war, einmal fragte, was die gelben Sterne an einigen Mänteln zu bedeuten hätten. Seine Antwort: Er legte den Finger an den Mund und wies auf ein Plakat, was in der Schule hing. Und darauf stand „Der Feind hört mit!“. Und das machte mir klar, dass das etwas sehr Dunkles sein muss, was da im Hintergrund abläuft. Und so etwas möchte ich nie wieder erleben!

Björn Engholm kenne ich schon sehr lange. Er ist nicht nur ein glänzender Redner, sondern auch ein Kunstkenner. Seine Frau ist Malerin. Aber wissen Sie, Lobeshymnen nehme ich mir nicht so sehr an. Im Gegenteil, zu viel Lob schreckt mich eher ab. Lob ist also nicht der Grund, warum ich male.

Wenn ich auf mein Leben zurückblicke, stelle ich fest, dass es vermehrt Juden waren, die meine Lebensweichen gestellt haben…

Amerika fehlt mir sehr. Daher möchte ich auch sehr gern noch einmal hin – auch wenn ich weiß, dass so eine Reise mit einem gewissen Stress verbunden ist. Ich werde in diesem Jahr 92. Das ist ein Alter, in dem man der Kiste näher rückt. Die Zukunft wird also knapp. Aber meine amerikanischen Freunde vermisse ich sehr. Ich habe in den USA tatsächlich mehr Freunde als hier. Wir stehen auch noch immer in Kontakt – telefonieren, schreiben uns…

Lebenselixier…? Ich weiß nicht. Zumindest lasse ich dadurch viele Dinge los, die mich beschäftigen. Und das Malen macht mich klüger. Es lässt mich über den Tellerrand des Lebens hinausschauen. Die Kraft des Zufalls ist nicht zu unterschätzen. Man will eigentlich eine Menschengruppe malen - und letztlich wird ein Wolkenhimmel daraus.

Ja. Jeden Vormittag, etwa zwei bis drei Stunden. Länger aber auch nicht.

Es gefällt mir, die Resonanz des Publikums live zu erleben

Natürlich kenne ich auch Müßiggang. Ich teile meine Tage ein, Pausen sind da enthalten. Nach dem Frühstück male ich. Dann gibt es Mittagessen und danach bewegen wir uns ein bisschen. Struktur zu haben hilft.

Das gefällt mir schon. Denn dort sehe ich meine Bilder kuratiert hängen. Da haben sich ein paar Menschen lange Gedanken gemacht, wie man die Bilder platziert, was ja fast eine eigene Kunstform ist. Bei mir stehen die Bilder aneinandergelehnt auf dem Boden in der Garage. Manche habe ich noch nie an einer Wand hängen sehen. Daher gefällt mir das schon. Genau wie die Resonanz des Publikums live zu erleben.

Eine meiner schönsten Ausstellungen war die im Frank Lloyd Wright House in Los Angeles – genau vis-à-vis des Hollywood-Schriftzugs. Da waren gleich am ersten Tag 3000 Leute da. Deren Begeisterung hat mich schon inspiriert.

Das ist unterschiedlich. Im Augenblick überarbeite ich viele meiner Bilder. Ich hole sie aus dem Stapel heraus, schaue mir an, was ich da gemalt habe und denke oft dabei, dass das nicht mehr zeitgemäß ist. Und dann bearbeite ich sie. Über die Jahre verändert sich einfach das Handwerk, auch die eigenen Vorstellungen. Die Bilder, die ich in den 50ern gemalt habe, sind heute nicht mehr „meine“ Bilder. Einige kann ich so stehen lassen – bei anderen drängt es mich, sie zu verändern, um sie in meine Zeit „rüberzuholen“.

Meine Frau ist ein sehr wichtiger Teil meines Lebens. Wenn nicht der Wichtigste.

Ja, das habe ich. Meine Frau behauptet, das seien IHRE Bilder. Und IHRE Bilder möchte sie nicht gern ausstellen. Und da rede ich ihr auch nicht rein. Das akzeptiere ich.

Das ist eine gute Frage – beantworten kann ich sie nicht. Sicher war auch die Kraft des Zufalls daran beteiligt. Hätte ich statt ihrer eine Frau getroffen, die nicht beweglich gewesen wäre, die nicht mit mir in die BRD und später in die USA gekommen wäre – nach dem Motto: Lieber keine Bewegung als eine falsche – dann hätte eine Beziehung nicht funktioniert. Meine Frau hat all das mitgemacht. Wir haben diese Entscheidungen auch immer gemeinsam getroffen. Waren gemeinsam mutig – auch wenn uns das in dem Augenblick gar nicht so bewusst war. Insofern ist meine Frau ein sehr wichtiger Teil meines Lebens. Wenn nicht der Wichtigste.

Ich habe das nie so gesehen wie Sie. Ich habe das nie so seziert. Ich spüre die Übergänge eher in den aufeinanderfolgenden Systemen: Nazizeit, DDR-Regime, BRD-Demokratie – und letztlich die große Freundlichkeit Amerikas, das mich mit offenen Armen empfangen hat.

Aber um auf Ihre Aufteilung zurückzukommen: Mit 90 lag ich erst einmal im Krankenhaus. Für ganze drei Monate. Das Schicksal und der Zufall spielten auch hier wieder eine Rolle. Ich bin leider an einen Arzt geraten, der einen Fehler bei der Operation gemacht hat. Zum Glück konnte der von einem anderen Arzt wieder behoben werden. Sodass ich nun liebe Kollegen wie Sean Connery, Max von Sydow oder Michael Degen, die alle mit 90 das Handtuch geworfen haben, überlebe. Ich schaue also mit einer gewissen Wehmut darauf, wie leer es so langsam um einen wird.

Mit der Familie. Der Malerei. Und vielleicht einer letzten Reise nach Amerika… Die 100 strebe ich nicht an. Bettlägerig oder ein Pflegefall will ich nicht werfen. Das mag ich mir und meiner Frau nicht antun. Lieber trete ich vorher ab.

Jeder Tag bietet doch Stoff genug. Gerade zu diesen Zeiten. Und Sie wissen doch: Alles, was mich beschäftigt, will Wort oder Bild werden… 

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