Foto-Raritäten von Olympia '72: Echt narrisch normal! | Abendzeitung München

2022-07-29 17:43:06 By : Mr. Andy K

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Mpnchen - Als München die Spiele 1966 zugesprochen bekam, war von kollektiver Ekstase nichts zu spüren. "Mei, nachad kriang ma hoit Olympia", war die vorherrschende, sehr münchnerische Haltung, der Euphorie bekanntlich fremd ist.

Irgendwie auch zu Recht. Verwandelte sich die Stadt in den folgenden Jahren doch in eine einzige Großbaustelle mit Absperrungen, Behinderungen, Staus, Dreck und Lärm - und mit einer nicht unerheblichen Kostenexplosion. Was zwar den Grant der Münchner kitzelte, nicht jedoch die unheimliche Vorfreude auf das Weltereignis im Sommer 1972.

Heinz Gebhardt, Münchner Fotografen-Urgestein, AZ-Fotograf und Fotohistoriker, der 2008 für seine Verdienste mit der Medaille "München leuchtet" ausgezeichnet wurde, hat diese Entwicklung und natürlich auch die Spiele selbst in einzigartigen Fotos festgehalten. Immer mit dem ihm so eigenen Hang zu kritischer Distanz und humorvoller Nähe zu den Menschen. "Ich habe alles fotografiert", erinnert sich Gebhardt, "bloß keine Sportereignisse." Das hatte er 1968 in Sapporo gemacht – aber nicht sonderlich gemocht. Nein, was ihn viel mehr interessierte, waren die Einwohner dieser Stadt, waren die Münchner – und wie sie mit diesem Großereignis umgegangen sind.

Und, wie war's unterm Strich? Der 75-Jährige muss nicht lang überlegen. "Es lief alles ganz gemütlich ab." Irgendwie unspektakulär, ohne künstlichen Hype, sondern gelassen, interessiert und leger. "Man kann sich das heute gar nicht vorstellen", so Gebhardt, "wie normal das alles abgelaufen ist.

Genau das zeigen wird in drei Folgen eine AZ-Serie. "Olympia 1972? Echt narrisch" - nämlich narrisch normal.

Die Anteilnahme war riesig, das Interesse an den Spielen gewaltig, als das Spektakel am 26. August 1972 endlich eröffnet wurde. Um 15 Uhr ging's los, unter anderen mit Stadionsprecher Joachim Fuchsberger und dem Tölzer Knabenchor. Wer im Stadion nicht dabei sein konnte (eine Eintrittskarte kostete 100 Mark), platzierte sich einfach irgendwo im Park, um wenigstens atmosphärisch ein bisserl dabei sein zu können.

Die begehrtesten Plätze waren natürlich die auf dem Olympiaberg, von wo aus man wenigstens das Olympiastadion im Blick hatte - wenn auch ein kleiner Blick hinein nur von der Kuppe aus möglich war, wo drangvolle Enge herrschte. Den Münchnern war das egal. Sie waren zwar nicht mittendrin im Geschehen im Stadion. Aber doch wenigstens auch irgendwie dabei. Oder, so Fotograf Heinz Gebhardt: "Dabei sein, war alles." Und sei es im Gras am Olympiaberg.

Man mag und kann es sich heute eigentlich gar nicht vorstellen, was passieren würde, wenn die komplette Innenstadt (und auch die Stadt darüber hinaus) sechs Jahre lang umgegraben würde. Zwischen 1966 und 1972 war genau das der Fall. Klar, gegrantelt wurde damals schon. Aber einen großen Protestaufschrei gab es keinen. Im Gegenteil. Die Münchnerinnen und Münchner verfolgten stoisch und überaus interessiert dem Treiben auf den vielen Großbaustellen in der Stadt.

Bereits im März 1966, als der letzte Flieger vom Oberwiesenfeld abgehoben war, rollten am künftigen Olympiapark die Baumaschinen an. Dazu gesellten sich die großen U-Bahn- und S-Bahn-Baustellen, der Ausbau des Mittleren Rings und die vielen Haus- und Fassadensanierungen in der Stadt, der insgesamt ein (damals dringend nötiges) Facelifting verpasst wurde - man wollte sich ja schließlich zeigen lassen können, ein paar Jahre später. Es sollte sich lohnen - München zehrt noch immer davon.

Das Münchner Olympia-Maskottchen 1972: der Olympia-Dackel Waldi. Klar, oder? Nein, so ganz klar ist die Angelegenheit nicht. Immerhin: Das mit dem Dackel stimmt. Die Idee zum Dackel als Münchner Olympia-Maskottchen kam vom Dackelbesitzer und Präsidenten des Nationalen Olympischen Komitees für Deutschland (NOK) Willy Daume. Und Otl Aicher, grafischer Gestalter der 72er-Spiele, ließ den Dackel daraufhin in unzähligen Ausführungen aus Holz, Stoff, Plastik, als Aufnäher und Anstecker umsetzen.

Geburtsstunde war der 23. Juli 1970, als Daume den "Olympiawaldi" als Maskottchen zusammen mit seinem leibhaftigen Vorbild präsentierte: Es war die 84 Tage alte Rauhaardackel-Dame namens "Cherie vom Birkenhof" beim Richtfest des Olympiastadions. Daume schenkte das Dackel-Mädchen Felix Levitan, dem damaligen Präsidenten des Internationalen Sportpresseverbandes - wie Daume ein narrischer Dackel-Fan. Levitan nahm den Dackel anschließend mit in seine Heimatstadt Paris. Im November 1970 flog Fotograf Heinz Gebhardt zu ihm nach Paris und fotografierte die Olympia-Waldine in ihrer neuen Heimat zwischen Notre Dame und Eiffelturm, wo sie wie ein Dackelgott in Frankreich 15 Jahre lebte - und im gesegneten Alter 1985 starb.