Variotherme Temperierung für Organobleche -

2021-10-22 09:33:25 By : Mr. carson wang

Durch die Integration der variothermen Anlage können Organobleche wirtschaftlich und technisch verbessert zu Hybridbauteilen verarbeitet werden. Dies erhöht den Wettbewerbsvorteil gegenüber herkömmlichen Materialien weiter. Seit mehr als zehn Jahren wird an einer Technischen Universität intensiv zum Thema Verbindungstechnologien und den Haftmechanismen zwischen endlosfaserverstärkten Thermoplasten, sogenannten Organoblechen, und angespritzten Funktionsstrukturen geforscht. Im Fokus stehen verfahrenstechnische Einflüsse, die die Verbundfestigkeit der hybriden Leichtbaustrukturen erhöhen.

Türmodulträger mit integriertem Organoblech als Leichtbaulösung in Türsystemen für den Ford Focus. (Bildquelle: Elringklinger)

Im Leichtbau setzen sich thermoplastische Faserverbundwerkstoffe aufgrund ihrer Verarbeitungsvorteile in immer mehr Anwendungen durch. Dabei spielt die Funktionsintegration eine wichtige Rolle. Eine treibende Kraft ist die Automobilindustrie, die aufgrund der EU-Verordnung zur Reduzierung des CO2-Ausstoßes immer stärker auf Metallsubstitution durch Faserverbundwerkstoffe setzt. Die EU-Verordnung schreibt ab 2021 eine Begrenzung der CO2-Emissionen für Neufahrzeuge auf 95 g/km vor [1]. Hinsichtlich des guten Preis-/Leistungsverhältnisses und des geringen Gewichts eignen sich die hybriden Leichtbaustrukturen hervorragend als Konstruktionswerkstoffe für Leichtbauanwendungen.

Durch die Verarbeitung von Organoblechen im Spritzgussverfahren entstehen Bauteile mit großem Zukunftspotenzial. Denn die Vorteile der Endlosfaserverstärkung, wie hohe Festigkeit, Steifigkeit und Schlagzähigkeit, werden in einem Prozesshybrid mit den Vorteilen der Spritzgusstechnik wie kurze Zykluszeiten, nachbearbeitungsfreie Fertigung und hohe Funktionsintegration kombiniert.

Die Herausforderung bei dieser Technologie liegt in der material- und prozessgerechten Bauteilauslegung. Außerdem ist der Umformgrad der Faserhalbzeuge durch die Drapierung begrenzt. Um die Kraft auf das belastete Bauteil ideal zwischen den beiden thermoplastischen Bauteilen übertragen zu können, ist eine ausreichende Haftfestigkeit zwischen den geformten Funktionsstrukturen und Organoblechen notwendig. Die Struktursteifigkeit kann in der Regel durch Rippenstrukturen gegenüber Beulen und Ausbeulen erhöht werden. Bisher wurden in der Literatur nur erste Erkenntnisse zu den Einflussgrößen präsentiert, jedoch nicht im Zusammenhang mit optimierten Rippenstrukturen.

Die Zusammenführung von Ergebnissen aus verschiedenen Grundlagenprojekten und die konsequente Fortführung der Projekte an der TU Rosenheim dienen zum einen der Entwicklung von Konstruktionsrichtlinien für die Auslegung hybrider Bauteile. Andererseits sollen durch die Identifizierung der wesentlichen Einflussfaktoren die Grundlagen für die Gestaltung und Optimierung der Prozesskette geschaffen werden.

Entwicklungsgeschichte ausgewählter FVK-Prozesshybride - Benchmark [2]. (Bildquelle: TH Rosenheim)

Seit mehr als zwei Jahrzehnten beschäftigen sich zahlreiche Forschungseinrichtungen, Institute und Prozessentwickler der Kunststoffindustrie mit dem Thema Prozesshybride. Dabei entstand eine Vielzahl von Demonstratoren und prototypischen Bauteilen.

Darstellung der ermittelten Einflussfaktoren auf die Verbundfestigkeit, die beiden Haupteinflussfaktoren rot umrandet (Heiztemperatur und Anschlussgeometrie). (Bildquelle: TH Rosenheim)

Durch eine Analyse des bestehenden Benchmarks konnten die primär entscheidenden Einflussfaktoren hinsichtlich der Haftungseigenschaften charakterisiert werden. Dazu gehören die Dicke der Organobleche und die Ausrichtung der Rippenstrukturen in Bezug auf die Hauptverstärkungsrichtung der Endlosfasern. Darüber hinaus ergeben sich durch die Vielzahl an Materialkombinationen und die Art der Prozessführung eine Vielzahl von Parametern, die die Verbundfestigkeit beeinflussen.

Ein wesentlicher Einflussfaktor auf die Verbundfestigkeit ist die Kontaktfläche der Verklebung. Je größer die Fläche, desto höher die Festigkeit. Aus dem Benchmark wurden einige Anschlussgeometrien mit unterschiedlichen Radien und Größen der Kontaktfläche ermittelt, untersucht und zwei Geometrien mit unterschiedlichen Verbundkontaktflächen ausgewählt. Diese beiden speziell ausgewählten Geometrien konnten für weitere Untersuchungen in einem Prüfkörperwerkzeug umgesetzt werden, das im Rahmen eines BMWI-Forschungsprojektes in Kooperation mit Bosch Formenbau, Bad Dietzenbach, und Contura MTC, Menden, entstanden ist. Dies sind die Anschlussgeometrie Fuß mit großer Verbundauflage und die Anschlussgeometrie R0,8 mit kleiner Verbundauflage.

Abhängigkeit der maximalen Abzugskraft von der Heiztemperatur des Organoblechs und der verklebten Kontaktfläche zwischen Organoblech und angeformten Rippenstrukturen. (Bildquelle: TH Rosenheim)

Der Haftungsunterschied zwischen den Verbundkontaktflächen ist deutlich sichtbar. Die Verbundfestigkeiten werden nicht nur durch die Verbindungsgeometrie und die Größe der Verbundkontaktfläche zwischen Organoblech und Spritzgussbauteilen, sondern vor allem durch die Heiztemperatur des Organoblechs entscheidend beeinflusst. Grund dafür ist die geringere Temperaturdifferenz zwischen der Organoblechoberfläche und der einfallenden Schmelze. Dadurch verschweißen die beiden Komponenten besser miteinander. Bei Organoblechen, die bei Raumtemperatur (20 °C) in das Werkzeug eingelegt werden, ist keine nennenswerte Verbundfestigkeit messbar. Um eine ausreichende Festigkeit zu erhalten, empfiehlt es sich, die Organobleche über die Schmelztemperatur der Matrix zu erhitzen.

Außerdem muss der Temperaturabfall beim Handling vom Ofen in das Werkzeug berücksichtigt werden. Die Handlingzeit vom Ofen bis zum Spritzgusswerkzeug betrug während der Versuchsreihe ca. 5 s. Während dieser 5 s ist ein Temperaturabfall von 25 bis 30 °C auf der Organoblechoberfläche messbar. Versucht man den Temperaturabfall durch stärkeres Erhitzen der Matrix auszugleichen, kann dies zu einer thermischen Schädigung des Materials führen. Dies kann sich auch auf die Haftfestigkeit auswirken.

Auf Basis der oben gewonnenen Erkenntnisse wurde im Zuge des Forschungsvorhabens eine neue Technologiekombination entwickelt. Die Grundidee war, der Abkühlung der Organobleche im Spritzgusswerkzeug durch variotherme Prozessführung entgegenzuwirken. Bisher werden diese Technologien hauptsächlich aus optischer Sicht eingesetzt, um beispielsweise Nanostrukturen auf der Bauteiloberfläche zu erzeugen oder Bindenähte zu vermeiden [3].

Als sehr gute Alternative zur externen Beheizung der Organobleche erwies sich die variotherme Werkzeugtemperierung. Diese werden bei Raumtemperatur in das „heiße“ Spritzgusswerkzeug eingelegt. Während des Schließvorgangs und einer spritzteilspezifischen Aufwärmzeit zwischen „Werkzeug geschlossen“ und „Einspritzen der Schmelze“ (verzögertes Einspritzen) wird das Organoblech über die Wärmeleitung der angrenzenden Werkzeugwand an der Oberfläche ausreichend erwärmt, Dadurch ist ein stoffschlüssiger Verbund mit der eingespritzten Schmelze gewährleistet.

Nach Wirksamwerden des Nachdrucks wird der Temperierkreis auf „kalt“ geschaltet und das Spritzgießwerkzeug während der Abkühlzeit auf Entformungstemperatur abgekühlt.

Ergebnis und Vergleich variothermer und konventioneller Werkzeugtemperierung - Verbundfestigkeit zwischen Organoblech und angespritzten Rippenstrukturen. (Bildquelle: TH Rosenheim)

Erste Untersuchungen zeigen einen hervorragenden Verbund zwischen dem funktionsintegrierenden Spritzgussbauteil und dem „kalten“ eingelegten Organoblech im „heißen“ Spritzgusswerkzeug (145 °C). Die Verbundfestigkeiten der konventionellen Erwärmungsstrategie sind durchaus vergleichbar mit der variothermen Erwärmung im Werkzeug.

Das Verfahren eignet sich besonders für Hybridbauteile, bei denen die Organobleche nur geringfügig umgeformt werden müssen. Leichte Umformgrade lassen sich durchaus auch mit einer dünnen Organoblecheinlage von maximal 1 mm Halbzeugdicke im Werkzeug mit variothermer Temperierung erreichen. Die Umformung komplexer 3D-Bauteile mit dickeren Organoblechen ist mit diesem Verfahren jedoch nicht möglich.

Ein weiterer Vorteil der variothermen Temperierung könnte die lokale Erwärmung der Organobleche sein. Durch partielles Einbringen der Wärme in das Organoblech mit Variothermie kann eine lokale Verschweißung im Bauteil insbesondere an mechanisch stark beanspruchten Stellen wie Schraubdomen, Rippen, Karabinerhaken gewährleistet werden. Durch die lokale Erwärmung können Hybridbauteile wirtschaftlicher hergestellt werden.

Rippenabzugsgerät für den Kopfzugversuch zur Ermittlung der Verbundfestigkeit zwischen Organoblech und angeformter Rippenstruktur. (Bildquelle: TH Rosenheim)

Mit dem Prüfkörpertool können zwei Methoden der Werkzeugtemperierung direkt miteinander verglichen werden. Mit einem Schuss lässt sich die bereits am Markt etablierte und seit Jahren eingesetzte Variothermtechnik direkt mit der konventionellen Werkzeugtemperierung an einem Testbauteil vergleichen.

Die Quantifizierung der Verbundfestigkeit zwischen Spritzgussbauteil und Organoblech erfolgte insbesondere bei den Rippengeometrien im Kopfzugversuch mit isobarer Einspannung. Der Head-Pull-Test wird mit einem speziell entwickelten Testgerät durchgeführt.

Auswerferseite des Prüfkörperwerkzeugs mit integriertem Handhabungsrahmen zum Transportieren und Positionieren der Organobleche. Links und rechts sind die realisierbaren Hybridprüfkörper und Untersuchungsgeometrien dargestellt. (Bildquelle: TH Rosenheim)

Neben diesen Untersuchungen wurden auch Analysen mit zahlreichen anderen Kontaktgeometrien durchgeführt. Mit diesem an der TU Rosenheim entwickelten Spritzgusswerkzeug besteht die Möglichkeit, mit Wechseleinsätzen sieben verschiedene Varianten hybrider Prüfkörperbauteile mit unterschiedlichen Kontakt- und Kantengeometrien herzustellen. Auf diese Weise lassen sich viele Einflüsse wie die Position des Angusses in Bezug auf die Kontaktgeometrie oder das Schälverhalten zwischen Organoblech und Spritzgussmaterial untersuchen. Der modulare Aufbau des Werkzeugs ermöglicht einen schnellen Wechsel zwischen den verschiedenen Untersuchungsgeometrien sowie eine problemlose und zeitnahe Untersuchung neuer Anschlussgeometrien, da jeweils nur ein Werkzeugeinsatz erstellt bzw. ausgetauscht wird.

Durch die variotherme Temperierung wurde nicht nur die Verbundfestigkeit optimiert, sondern es zeigte sich, dass beim Einlegen von Organoblechen mit geringer Wandstärke allein der Wärmeeintrag aus der „heißen“ Werkzeugwand ausreicht, um eine gute Verbundfestigkeit zu erreichen. Dadurch kann bei geringen Umformgraden künftig auf eine externe Erwärmung der Organobleche verzichtet werden. Für Serienanwendungen bedeutet dies einen großen Gewinn an Prozesssicherheit und Wirtschaftlichkeit.

[1] Verordnung (EG) Nr. 443/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung von Emissionsnormen für neue Personenkraftwagen als Teil des Gesamtkonzepts der Gemeinschaft zur Verringerung der CO2-Emissionen von Personenkraftwagen und leichten Nutzfahrzeugen (Referenz von 2009).

[2] Schemme, M.: Langfaserverstärkte Thermoplaste [LFT] – Stand und Perspektiven. 22. Nationales Symposium Sample Deutschland e. V., Fürth 2016.

[3] Doriat, C.: Temporär heiß, Kunststoffe Heft 1/2015, Carl Hanser Verlag München. 

B. Eng. ist Projektmitarbeiterin am Zentrum für Forschung, Entwicklung und Transfer der TU Rosenheim in Rosenheim.

leitet den Lehrstuhl für Faserverbundkunststoffe an der TU Rosenheim in Rosenheim.

leitet den Fachbereich Spritzguss und Werkzeugbau an der TU Rosenheim in Rosenheim.

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