Verarbeiten von Biopolymeren mit Heißkanaltechnik

2022-10-07 17:39:07 By : Mr. King Zeng

In den letzten Jahren rücken vermehrt Biopolymere in den Fokus der kunststoffverarbeitenden Industrie. Deren Kristallisationsverhalten erleichtert das Verarbeiten mittels Spritzguss nicht unbedingt.

Das Kristallisationsverhalten von Biopolymeren erleichtert das Verarbeiten mittels Spritzguss nicht unbedingt. (Bild: digitalstock – stock.adobe.com)

Im vergangenen Jahr 2020 erlebten biobasierte Polymere einen deutlichen Aufschwung. Neben PE und PP aus biobasiertem Naphtha waren auch biobasierte Polyamide sowie PBAT (biologisch abbaubares und kompostierbares Copolymer aus der Gruppe der Polyester), PHAs (von Bakterien synthetisierte, intrazellulär angehäufte Polyester aus gesättigten und ungesättigten Hydroxyalkansäuren) und Casein-Polymere (kompostierbare Biokunststoffe, auf Basis des Milchproteins Casein) gefragt, deren Bereiche deutliche Zuwächse verzeichnen konnten. Mehrere globale Marken weiten ihr Rohstoffportfolio aus, um neben fossilen auch erneuerbare Kohlenstoffquellen zu nutzen. Dennoch mangelt es gleichzeitig an Unterstützung durch die Politik, die nach wie vor nur Biokraftstoffe und Bioenergie fördert. Dies sind Aussagen aus dem neuen Markt- und Trendbericht „Bio-based Building Blocks and Polymers – Global Capacities, Production and Trends 2020 – 2025“ der internationalen Nova-Biopolymer Expertengruppe. Im Jahr 2020 betrug die gesamte Produktionsmenge biobasierter Polymere 4,2 Mio. t, was in etwa 1 % der gesamten Produktionsmenge der Polymere aus fossilen Quellen entspricht. Dennoch ist die jährliche Wachstumsrate mit 8 % höher als das Gesamtwachstum der Polymere (3 bis 4 %) – was sich auch voraussichtlich bis 2025 fortsetzen wird.

K.D. Feddersen, als globaler Distributor von technischen Produkten, technischen Kunststoffen, Spezialchemie und Rohpolymeren, begleitet den Markt seit mehr als 60 Jahren und hat damit auch einen Überblick über die Entwicklung biobasierter Polymere. Im Rahmen des 1. virtuellen Technologietages von Günther, der sich der Verarbeitung von Biopolymeren im Heißkanal widmete, ging Wolfgang Wieth von K.D. Feddersen bei dem Vortrag „Kunststoffe im Wandel“ auf nachhaltige Materialien für technische Anwendungen ein. Er beleuchtete den European Green Deal, den CO2-Fußabdruck (Carbon Footprint) und das Masse-Bilanzverfahren, um dann auf die biobasierten und biologisch abbaubaren Biokunststoffe einzugehen. Bei dem Begriff Biokunststoffe oder Biopolymere handelt es sich nicht um eine einheitliche Polymergruppe, sondern um eine Familie von Produkten. Die DIN SPEC 1206 „Empfehlung für die Terminologie und Charakterisierung von Biopolymeren und Biokunststoffen“ benennt den Begriff „Biopolymer“ als Polymere aus organischen Substanzen, die aus lebenden Organismen und deren Rückständen gewonnen wurden.

Da die Definition von Biokunststoffen nicht immer einfach ist, unterteilte er den Begriff Biokunststoffe für verschiedene Materialien, so zum Beispiel in biobasierte Kunststoffe, die bezugnehmen auf die Rohstoffquelle, in bioabbaubare Kunststoffe, die auf die Funktionalität bezugnehmen sowie in biokompatible Kunststoffe, die auf Verträglichkeit mit menschlichen oder tierischen Körpern beziehen. Daraus leiten sich wiederum spezielle Definitionen von Benennungen ab, wie organisches Material, Kunststoffe und Formmassen, Polymer und Polymerisation und weitere. Die ersten beiden Kategorien werden zur Definition eines Biokunststoffes herangezogen. Dabei werden sowohl biobasierte als auch bioabbaubare Kunststoffe als Biokunststoffe bezeichnet. Dementsprechend ist auch die Erfüllung beider Kriterien möglich. Anhand verschiedener Beispiele belegte Wolfgang Wieth dann den steigenden Einsatz von biobasierten und biologisch abbaubaren Biokunststoffe in verschiedensten Branchen.

Auf Heißkanalsysteme für hochfachige und gleichzeitig kompakte Werkzeuge gehen Mitteilungen der Firmen zu Entwicklungstrends ein. Ein herausragendes Thema sind in diesem Jahr Nadelverschlusssysteme und deren Antriebstechnik. Normalien passen sich weiterhin dem Bedarf an. Den ausführlichen Trendbericht finden Sie hier

Wenn aber statt Kunststoffgranulat eine Mixtur aus natürlichen Rohstoffen wie Cellulose (circa 70 %) und einem abbaubaren Rohstoff wie Kreide (circa 30 %) genutzt und durch einen Vermengungsprozess ein Granulat herstellt wird, erhält man einen zu 100 % biologisch abbaubaren und hauskompostierbaren Werkstoff. In Kombination ergibt sich ein Material, deren daraus produzierte Produkte sich auf dem heimischen Kompost im Garten entsorgen lassen. Niclas Beutler, Mitgründer und Geschäftsführer von Natur Compound, brachte diese Idee den Teilnehmern des Technologietages näher. Nature Compound ist ein junges Start-up mit Sitz in Schwerte und bietet neuartige Compounds für die Kunststoffverarbeitung sowie eine ganzheitliche Beratung für die gesamte Wertschöpfungskette der kunststoffverarbeitenden Industrie. Das Start-up versteht sich als Vorreiter einer fortschrittlichen Brückentechnologie, dem Papierspritzguss.

Die Verarbeitung von Papier im Gussprozess ist nicht neu. Jeder kennt eine typische Anwendung, nämlich den Eierkarton. Mit den Eigenschaften des Granulates gehen einige Vorteile einher. Die so hergestellten Produkte sind zu 100 % abbaubar und hauskompostierbar, was grundsätzlich Entsorgungskosten vermeidet. Das Verarbeitungsverfahren gleicht auf den ersten Blick dem der Herstellung von klassischen Produkten aus Kunststoff. Denn zur Verarbeitung können bestehende Werkzeuge eingesetzt werden, was wiederum Investitionskosten reduziert. Der Lebensmitteldirektkontakt ermöglicht zudem vielfältige Einsatzmöglichkeiten. Auch können komplexe Produktstrukturen umgesetzt werden. „Wir stärken die Zukunftsfähigkeit durch den Einsatz eines ökologisch wertvollen Compounds, das auf die individuellen Bedürfnisse der Verarbeiter zugeschnitten wird,“ merkte Beutler an. „Unsere Compounds sind zu 100 % biologisch abbaubar und vermeiden dadurch Entsorgungskosten, haben aber Ähnlichkeit zu konventionellen Kunststoffen. Das hat den Vorteil, dass die Anwendung für den Kunden bekannt ist. Durch das wir keine petrochemischen Rohstoffe nutzen, schonen wir wichtige Ressourcen“, erklärt Beutler

Jörg Essinger, Leiter der Anwendungstechnik & Service bei Günther Heisskanal, griff dieses Thema in seinem Vortrag auf und belegte anhand von Ergebnissen eines Materialversuches im Günther-Technikum die Verarbeitbarkeit mit der Heißkanaltechnik. Im Rahmen eines Verbundprojektes des KIMW Lüdenscheid wurde dabei das Verarbeitungsverhalten zweier Bioformtypen von Nature Compound untersucht. Die Verarbeitungsversuche wurden mit jeweils einer weichen und einer schlagzähmodifizierten  Bio-Form-Type, sowohl mit Nadelverschlussdüsen als auch offenen Düsen mit Spitze durchgeführt. Beide Biopolymertypen bestanden aus annähernd 70 % Cellulose und 30 % Kreide. Jörg Essinger kommentierte die Ergebnisse: „Mit dem Nadelverschluss-Heißkanal konnten beide Materialtypen in einem großen Verarbeitungsfenster in einem stabilen Prozess verarbeitet werden. Die Nadeln konnten nach einer relativ langen Nachdruckzeit (circa 10 s bei 400 bar) noch problemlos schließen.“ Die Versuche zeigten, dass für das Verarbeiten dieser beiden Bio-Form-Typen mit offenen Düsen mit Spitze ein großer Anspritzpunkt in Verbindung mit einer hohen Wärmeeinbringung in diesen Bereich erforderlich ist. Trotzdem wurden bei der Prozessfähigkeitsuntersuchung über 3 h in unregelmäßigen Abständen deutliche Druckschwankungen bei der Forminnendruckmessung (Comoneo von Kistler) festgestellt. Dies könnte auf Inhomogenitäten in der Schmelze (Anhäufung von Cellulosefasern) hindeuten. Aufgrund dieser Erkenntnis ist der Einsatz eines Nadelverschluss-Heißkanal-Systems hierbei zu empfehlen.

Des Weiteren sind eine schonende Plastifizierung, eine gute Entlüftung im Werkzeug und moderate Einspritzgeschwindigkeiten zu berücksichtigen. „Ein regelmäßiges Reinigen von Werkzeug und Heißkanal ist selbstverständlich,“ bemerkt Jörg Essinger. „Zusammengefasst ist je nach Biopolymerbasis ein Nadelverschlusssystem einzusetzen und auf eine gute thermische Trennung zwischen Werkzeug und Heißkanal zu achten.“ Neben einer engen und frühzeitigen Abstimmung zwischen Endanwender, Materialhersteller, Werkzeugbau, Verarbeiter und Heißkanalhersteller sind auf jeden Fall auch Verarbeitungsversuche in Bezug auf die Eignung der Heißkanalverarbeitung notwendig. Das begründet sich auf die unterschiedlichsten Rezepturen der Compounds.          

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